Podiumsdiskussion Biodiversität und Ernährungssicherheit


Biodiversität und Ernährungssicherheit lautete das Motto der Podiumsdiskussion zu der Slow Food Youth Münster  eingeladen hatte. 

Moderatorin Romina Burgheim. Ihre Gäste waren Sabine Jürß, ScellebelleElisabeth Schmelzer, GreenFairPlanet, Prof.Dr. Guido Ritter – FH Münster Ernährungswissenschaftler und Prof. Dr. Rüdiger Wittig,ehemTalkrals Uni Frankfurt, Institut für Ökologie, Evolution & Diversität. 

Zu Beginn der Diskussion erklärt Dr.Rüdiger Wittig den Begriff „Biodiversität“ so: Mit Biodiversität sind die Arten, Sorten und Rassen von Nutzpflanzen, Nutztieren und Fischen gemeint, die unsere Ernährung ermöglichen und die uns mit nachwachsenden Rohstoffen wie Holz für Energie oder Fasern für Bekleidung versorgen. Diese Vielfalt wird auch als „Agrobiodiversität“ bezeichnet. Dazu gehören ebenso Mikroorganismen und alles, was das Funktionieren der Ökosysteme und die Erzeugung von Lebensmitteln gewährleistet: z. B. der Kreislauf der Nährstoffe, die Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten, die Bestäubung durch Insekten, die Reifung von Käse und das Brotbacken mit Hefe.

Romina Burgheim, Dr. Rüdiger Wittig, Elisabeth Schmelzer Foto: Klaus Möllers

Romina Burgenheim, Dr. Rüdiger Wittig, Elisabeth Schmelzer Foto: Klaus Möllers

Den enorme Fleischverzehr sieht Dr. Rüdiger Wittig als größten Verursacher von Regenwaldabholzung, Bodenerosion, Umweltverschmutzung, Wasserverschwendung und unzähligen weiteren Faktoren, die zum massiven Artensterben beitragen. Für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch werden 16kg Getreide und Soja sowie über 15.000l Wasser benötigt. Diese Wassermenge würde ausreichen, um ein Jahr lang täglich zu duschen. Derzeit sind über 30 Prozent der eisfreien Erdoberfläche Viehweiden und ein Drittel der weltweiten Ackerflächen dienen dem Anbau von Viehfutter.Unzählige artenreiche Landschaften mussten somit schon der Viehwirtschaft und Monokultur weichen, während sich das tägliche Artensterben unvermindert fortsetzt, sagt Wittig.

Die intensive Agrarproduktion sehen alle Podiumsgäste als Hauptursache für den Verlust der Biologischen Vielfalt. Zur Biodiversität in der Landwirtschaft zählen nicht nur die Nutztiere und Nutz-und Kulturpflanzen sowie ihre Wildarten. Auch Bodentiere und Bodenmikroorganismen sind unverzichtbar für die Biologische Vielfalt.

Großes Interesse an der Podiumsdiskussion

Großes Interesse an der Podiumsdiskussion Foto: Klaus Möllers

Dr. Guido Ritter beklagt den Artenverlust am Beispiel von Äpfeln. Rund 2.000 Apfelsorten gibt es in Deutschland, Handel findet sich nur ein Bruchteil davon. Lediglich 25 Sorten werden im gewerblichen Obstanbau kultiviert und nur etwa sieben davon regelmäßig im Handel angeboten. Ländliche Gebiete sind viel ärmer an Vogelarten als städtische. Und was für Vögel gilt, gilt tendenziell auch für Insekten oder Säugetiere: Viele, gerade auch vom Aussterben bedrohte Arten, sind in der Stadt wesentlich zahlreicher als gemeinhin vermutet. Urban Gardening, Bienen auf dem Dach, Gemeinschaftsgärten machen Städte zu einer Oase der Vielfalt. Er begrüßt Streuobstwiesen Projekte in der Stadt.

Wertvolles, lokales Saatgut schützen, alte Pflanzensorten, alte Tierrassen und regionale, saisonale Esskulturen erhalten und Ackerboden und Grünland nachhaltig bearbeiten. Das Grünland wertschätzen und nach dem Regionalitätsprinzip handeln, das sieht Sabine Jürß als zukunftsweisend. Sie hat eine kleine Käserei und verkauft auf dem Ökomarkt und Markt in Münster als Direkterzeugerin. Aus der Region – für die Region, nach kontrolliert – biologischen Richtlinien, artgerecht gehalten, weil nur zufriedene Tiere eine optimale Leistung erbringen

Sabine Jürß, Dr. Guido Ritter Foto Klaus Möllers

Sabine Jürß, Dr. Guido Ritter Foto Klaus Möllers

Für die Käseherstellerin aus dem Münsterland ist der fachliche, solidarische Austausch mit Kollegen im In- und Ausland wichtig und bereichernd. Der VHM hilft den Begriff des handwerklichen Hofkäsens als Qualitätsmerkmal zu etablieren, jeder authentisch produzierte Ziegenkäse wirbt auch für uns, so Jürßen.

Bauernhöfe statt Agrarindustrie dafür plädiert Elisabeth Schmelzer. „Wir brauchen eine Wertschätzung und Bewusstseinsbildung in Schulen und Kindergärten für das, was wir täglich essen. Das Wissen über die Entstehung von Lebensmittel in der Region und die praktische Umsetzung in Schulgärten und Schulküchen ist zwingend erforderlich,“ so Schmelzer. Der Grundstein für das Ernährungsverhalten als Erwachsener wird bereits in der Kindheit gelegt.

„Landgrabbing“, bedroht die Ernährungsgrundlagen von Millionen von Menschen und ist schon lange in Deutschland angekommen, betont die Mindenerin. Gefördert werde Massentierhaltung mit verheerenden Folgen für Tier, Mensch, Boden und Klima. Ein Umdenken bei den Konsumenten, sieht die Foodaktivistin als unabdingbar. Wer einkauft, bestimmt über eine enkelfähige Landwirtschaft. Vom Megatrend „Geiz ist geil“ hin zu einem Qualitätsbewusstsein. Regional und saisonal muss sich als Botschaft für Essen mit Genuss etablieren. Kaufen in Hofläden, auf Wochenmärkten statt beim Discounter, das ist ein Einkaufserlebnis mit Mehrwert, ist ihr Ziel. Zu diesem Bewusstseinswandel fordert sie die ZuhörerInnen auf.

Fazit der Podiumsdiskussion: 

Es wurde deutlich: Die weltweite Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln wird maßgeblich davon abhängen, was in den Industrieländern gegessen wird. Und auch unsere Zukunft wird davon abhängen. Denn Nahrungsmangel führt zu Unruhen und Kriegen und Flucht.