Nach der Atomkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl vor 27 Jahren war das benachbarte Belarus am stärksten vom radioaktiven Fall-out betroffen. Während die Politik die Verseuchung „todschwieg“, gründete die Germanistik-Professorin Irina Gruschewaja gemeinsam mit ihrem Mann 1989 „Den Kindern von Tschernobyl“. Die erste Bürgerinitiative in Belarus organisierte Auslandsreisen für Kinder aus verstrahlten Gebieten. Mehr als eine halbe Million Tschernobyl-Kinder sind seitdem auf Erholungs- und Gesundungsreisen nach Westeuropa gekommen.
Gruschewajas Projekte sind auch Ausdruck des zivilen Ungehorsams, weil sie sich dem Einfluss und den Organisationsstrukturen des Staates entziehen: Betroffene werden zu Engagierten, Opfer zu Akteuren und Helfer zu Partnern. Die angeblich staatsfeindlichen Initiativen Gruschewajas sind der letzten Diktatur Europas ein Dorn im Auge. Schikanen zwangen die Aktivistin und ihren Mann, 1997-1998 ins Exil nach Deutschland zu gehen. Aus Sicherheitsgründen arbeitet Gruschewaja heute erneut in Berlin.