Fukushima – Die Erinnerung darf nicht verblassen

 

Landrat Dr. Ralf Niermann , Schirmherr der Gedenkfeier der Opfer von Fukushima und Tschernobyl – v.l. Irina Kuzmina, Dr. Ralf Niermann, Liudmilla Kuzmina, Riho Taguchi

Was hat sich geändert in Japan?

Brief von einem Kinobesitzer aus Fukushima  veröffentlicht von Riho Taguchi

Seit der Katastrophe im AKW Fukushima sind drei Jahre vergangen. In Fukushima herrscht jetzt normaler Alltag. Herr Yasuhiro Abe betreibt ein Kino in der Stadt Fukushima, er hat uns eine Nachricht geschickt:

“Ich wohne noch in der Stadt Fukushima, diese ist 60 km vom Unglücks-AKW entfernt. Meine Familie, Frau und Tochter, wohnt im etwa 600 km entfernten Kyoto. Ich bin allein hier geblieben. Es ist eine typische Familienform nach der Fukushima-Katastrophe, dass der Vater für die Arbeit in Fukushima bleibt und Mutter und Kinder in sicheren Orten leben. Aber ich bin nicht nur wegen der Arbeit geblieben. Ich wollte beobachten, wie es in Fukushima weiter geht. Ich bin mir nicht sicher, ob das getrennte Leben das Beste ist. Aber es gibt keine perfekte Antwort. Ich habe es mir genau überlegt und mich entschieden. Daher habe ich keine Reue. Wenn jeder für sich richtig überlegt hat und entschieden hat, kann man gegenseitig mit Respekt umgehen.

Nach meinem Eindruck waren viele Menschen im ersten halben Jahr nach dem Unfall wie Fliegen, die mit einer Nadel festgepinnt wurden. Nach einem Jahr haben sie bemerkt, dass die Erinnerung an die Katastrophe langsam verblasst, obwohl sie dies nicht wollen. Danach haben sie sogar vergessen, dass sie gegen Vergesslichkeit was unternehmen wollten. Jetzt ist es drei Jahre her. Wie können wir das zusammenfassen? Das weiß ich nicht.

Will man die Stimmung bei den Menschen in der Präfektur Fukushima jetzt im März 2014 beschreiben, dann ist sie vielleicht gekennzeichnet von dem Versuch, sich nicht mit dem Verlust ihrer Heimat abzufinden. Kein Jammern, keine Demonstration, nur reine Resignation? Nein, die Menschen der Präfektur Fukushima haben nicht alles vergessen.

Letztes Jahr gab es Bürgermeisterwahlen für die Städte Fukushima, Kooriyama und Iwaki. Diese drei Städte sind die wichtigsten der Präfektur Fukushima. Alle drei Bürgermeister wurden nicht wieder gewählt. Das zeigt die Wut der Bevölkerung.
Die Städte haben nur auf die Meinung der Zentralregierung gehört und selbst keine Maßnahmen getroffen, um die Bewohner am Ort zu schützen.

Der deutsche Film “Hannah Arendt” wurde in meinem Kino in der Stadt Fukushima aufgeführt. Das hat den Menschen Kraft gegeben. Im Film rechtfertigt sich der Verbrecher Eichmann damit, nur Befehle ausgeführt zu haben. Dieser blinde Gehorsam führte zum Holocaust. Der blinde Gehorsam erlaubte die Fukushima-Katastrophe.“

Herr Abe hat mir erzählt, dass der “Sicherheitsglaube” wie eine Religion nach dem Unfall sehr populär war. Momentan herrscht „Beruhigungsglauben”. Man glaubt nur bestimmte Meinungen und Berichte, um sich selbst zu beruhigen, dass die Entscheidung, in Fukushima zu bleiben, nicht falsch war. Man selektiert unbewusst Informationen.

In Österreich wurde 1978 per Volksabstimmung das einzige dort je gebaute AKW in Zwentendorf niemals in Betrieb genommen. Dies war der schnellste Ausstieg der Geschichte.

Für manche Japaner ist Deutschland ein großes Vorbild, das sich für den Atomausstieg entschieden hat. Unterstützung aus Deutschland für den Atomausstieg würde den Japanern sicher helfen.

Die Katastrophe in Fukushima nicht zu vergessen und konsequent Lehren daraus zu ziehen ist das wichtigste für unsere Zukunft.

Riho Taguchi stammt aus Japan. Die Journalistin wohnt seit 1996 in Hannover.  Riho Taguhi hat für ihre japanischen Landsleute ein Buch über den Stromrebellen EWS geschrieben.  „Wenn viele Menschen an vielen Orten viele kleine Schritte gehen, können wir das Gesicht der Welt verändern…“.